Behind the Pixels #02
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Amenra
31. Mai 2017
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Escape from Tarkov – eine Hassliebe in Videospielform

Tarkov ist am Ende, abgeschnitten von der Außenwelt. Ein politischer Skandal eskalierte und niemand soll es erfahren. Wir sind noch immer hier drinnen, gefangen in der russischen Provinz, zurückgelassen zum sterben. Doch wir geben nicht auf, wir sind das letzte Bollwerk der Menschheit gegen die Schrecken der Ungewissheit. Wir greifen da hart durch, wo sonst jeder internationale Gerichtshof versagt hat. Wir sind Mütterchen Russlands Lieblingssöhne, Gorbatschows Geheimwaffe, die tödlichsten Kampfmaschinen seit Breschniew. Stalins Klon auf Feindmission. Nur wir können Tarkov entkommen!

Joe:

So oder so ähnlich könnte man sich ein Intro zu Escape from Tarkov, das jüngste Spiel von BattleState Games, wohl vorstellen. Das ist allerdings noch in der Alpha. Denn beim Kauf einer Version auf deren Homepage besteht je nach Paket eine 50%, 75% oder eine 100% Chance eben genau in diese Alpha schon hinein zu dürfen. Anhand der doch schon horrenden Preise ist das ein äußerst Fragwürdiges Modell, da muss dann jeder selber entscheiden ob er das möchte. Bereits beim 2. günstigstem Modell ist es schon garantiert das man einen Zugang zur Beta bekommen soll. Zwar müsst ihr hier nicht euren Erstgeborenen Opfern und das Nachbarhaus anzünden, leider aber dennoch einen schmerzlichen Betrag löhnen. Allerdings ist zum jetzigen Zeitpunkt nach wie vor offen wann die Beta beginnt. Das hält der Entwickler natürlich unter Verschluss, klar, wer würde denn sich in die Alpha kaufen wenn man weiß das in 2 Wochen die Beta kommt?

Aber was ist denn Escape from Tarkov für ein Spiel? Alex hat euch doch noch letztens von Playerunkown´s Battleground erzählt. Escape from Tarkov ist im Prinzip der pervertierte Onkel davon, der ein Kind mit Arma 3 hat, aber eigentlich rein geheiratet ist. Verständlich? Nö? Ich hab’s auch nicht verstanden. Aber was ich verstanden habe ist, das all die Jahre Battlefield, Call of Duty oder jeder andere First-Person-Shooter nur ein kläglicher Witz dagegen ist.

Ihr habt einen sicheren Behälter im Hauptmenü, dort könnt ihr alle Rucksäcke, Westen und Waffen aufbewahren. Dort ist es sicher und nur ihr entscheidet was ihr mit rein nehmen wollt. Denn das ist der Knackpunkt, ihr rüstet euch aus, startet in den Raid, lauft durch das Areal, tötet NPC und echte Spieler, und versucht an einem der Extraktionspunkte zu entkommen. Dabei versucht ihr so viel wie möglich den kalten toten Händen der anderen Spieler zu entreißen oder findet etwas in der freien Welt, so erweitert ihr euer Inventar und hamstert euch so allerlei Waffen und Aufsätze. Doch auch genau das ist der Knackpunkt, sterbt ihr bei einem Raid, ist alles weg. Alles. Absolut alles. Außer das was in eurem kleinen Gammacontainer drin steckt, das dürft ihr behalten. Und genau das ist das was diesen Reiz auslöst.

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Video-Link: https://www.youtube.com/watch?v=a70_QmnjhCU

Denn Escape from Tarkov ist in reinster Form eine Shooter-Simulation wie man sie sich nur vorstellen kann. Aber woran merkt man das denn? Naja, in jedem anderem FPS ladet ihr bequem nach, doch nicht so bei Escape from Tarkov. Hier dürft ihr ein leeres Magazin in der Weste haben, die Munition manuell hinzufügen und dann die Waffe nachladen. Wahnsinn?! Aber damit endet es nicht. Der Gedanke wird weiter geführt mit einem Stufenlosen System was die Deckung angeht. Zwischen Hocken und Stehen könnt ihr noch unter 6 verschiedenen Abstufungen unterscheiden, so könnt ihr unter optimalem Schutz stehen aber dennoch alles sehen, ohne das zu viel von euch zu sehen ist. Selbiges auch mit dem zur Seite lehnen. Egal ob langsam zur Seite, schnell zur Seite oder sogar ein weites lehnen, wobei ihr einen Ausfallschritt macht, dient immer dazu das ihr alles im Blick habt. Und das alles ohne HUD, keine Karte, keine Anzeige wie viel Schuss ihr habt oder wie der Gesundheitsstand ist. All das was uns die etablierten Shooter uns so einfach machen nimmt uns Escape from Tarkov weg. Noch nicht genug? Gerne doch! Einen normalen Lebensbalken wurde euch nicht spendiert, dafür habt ihr verschiedenen Balken für jede Gliedmaße, Brust und Kopf. Da wo ihr getroffen werdet, hat das auch folgen für euch. Treffer können euch zum Beispiel ein Bein brechen und wenn ihr dann nicht die passende Schiene im Rucksack habt…. Tot! Blutende Wunden wollen mit Bandagen abgebunden werden. Keine Bandagen dabei? Tot!

Ja und die Kette kann endlos so weiter geführt werden. Ihr müsst immer wissen wo seid ihr, wo wollt ihr hin. Wie viel Schuss im Magazin. Wie steht es mit der Hydration. Um alles müsst ihr euch selber kümmern. Wenn ich jetzt also versuchen würde euch alles aufzuzählen was euch töten kann, ohne das auf euch geschossen werden könnte, oder auf euch geschossen wird und ihr es dann vergeigt, dann würden wir wahrscheinlich diesen Beitrag um Welten sprengen. All das muss man abkönnen, aber wenn man sich eben genau auf diese Vergewaltigung einlässt, dann ist es einer der besten Shooter den ich die letzten Wochen spielen konnte. Das Problem ist nur, ich kann dieses Spielgefühl euch nur in Stücken geben, denn der Moment wenn euer Herz rast und ihr alles riskiert, das kann man umschreiben, aber so lange nicht selbst der Stift in der Hose malt, kommt nicht das gleiche Gefühl auf. Aber wir haben ja Moritz, wenn es einer schafft einen beim lesen den Stift in die Hose zu treiben, dann ja wohl er. Deswegen übergebe ich hiermit hochoffiziell an Mr. Geschichtenerzähler.

Moritz:

Joe hat euch ja jetzt schon einmal erklärt, was Escape from Tarkov so besonders macht und ich möchte euch nun einmal versuchen das Gefühl zu vermitteln, welches in euch brodelt, wenn ihr dieses Spiel wirklich ernsthaft spielt.

Alles fing damit an, dass Joe und ich mal wieder auf einer unserer Loot-Touren waren, dabei hatten wir beide nur eine Axt, richtige Waffen hatten wir kaum bis gar nicht und wenn wir sie hatten, hatten wir den Kackstift in der Hose, denn so eine Waffe ist ein mächtiges Objekt der Begierde, der richtige Umgang will gelernt sein und jeder will sie dir abnehmen, Freunde existieren nicht! Jedenfalls versteckten wir uns mit unseren Äxten in den Büschen, versuchten einige Leichen aufzuspüren in der Hoffnung etwas bei ihnen zu finden. Unser Versteckspiel führte zu einem alten Motel, auf dessen Hof eine Leiche lag. Wie immer gefror uns das Blut in den Adern. Wie kommt sie dahin? Wer hat den armen Tropf von seinem Leid befreit? Und vor allem: Wo ist der Mörder? Nach zehn Minuten des Wartens begaben wir uns aus unserem Versteck, hier scheint niemand mehr zu sein, wie können also nach brauchbaren Gütern suchen. Joe kroch zu dem Toten, ich schaute mich um. Er schreite kurz auf: “ER HAT EIN AK-74 UND EIN PAAR MAGAZINE!”. Die Freude war groß, doch dann ging es plötzlich ganz schnell. Ein Rascheln im Gebüsch, ein lauter Knall – Ich war Tot, die Kugel traf mich am Hinterkopf, ich musste nicht leiden. Ich hörte noch wie Joe versuchte wegzulaufen, ein Schuss traf ihn direkt in die Brust und zerfetzte seine Lunge. Es war vorbei.

Das war der Moment wo uns klar wurde, nur mit einer Axt auf so eine Tour zu gehen, ist selten dämlich, also kauften wir uns auf dem Schwarzmarkt beide eine AK-74N, dazu ein paar Kugeln Munition und ein gescheites Visier.

Wir hatten Angst, die Waffen kann jederzeit flöten gehen und in die Hände des Feindes wechseln, mit gebrochener Stimme machten wir uns einen Treffpunkt aus, das oberste Gebot war nun Vorsicht. Wir würden uns nur noch Rücken an Rücken fortbewegen, die Augen mussten überall sein. Jeder Feindkontakt wäre eine Tortur für die Nerven. Eigentlich sollte man sich mächtig fühlen, eben keine Angst mehr haben, aber dieses Spiel verzeiht keine Fehler, Schüsse müssen sitzen, die Angst des Versagens ist groß. Wir liefen unsere Altbewährte Route, direkt zu dem verlassenen Motel, von welchen ich euch bereits berichtete. Es war ruhig und wir konnten die Gebäude betreten und durchsuchen. Ein erster kleiner Erfolg. Unser weiterer Weg führte über eine Tankstelle, ein heißes Pflaster, aufgrund einer Straßensperre, muss man sie durchqueren, weiß aber nie was sich in der Tanke, oder dahinter befindet. Wie so oft legten wir uns ins hohe Gras, angespannt sondierten wir die Gegend, für mich war die Luft rein, ich wäre stumpf an der Tanke vorbei in Richtung eines Hügels gelaufen, doch Joe schrie mir plötzlich in die Ohren: “DA LUGTE EIN KOPF HINTER DEM HÜGEL HERVOR”. Sofort schoss uns das Adrenalin durch den Körper, die Hände schweiß nass, Wir müssen diesen Weg nehmen, es ist der einzige in Richtung Ausgang. Minute um Minute verstrich, im Spiel ging bereits die Sonne unter, die Nacht wäre ohne Restlichtverstärker unser Todesurteil. Wir hatten keine Wahl, wir mussten uns in Richtung Hügel bewegen – so langsam wie es eben nur ging. Als wir ankamen, war der Hügel leer, eine trügerische Stille lag in der Luft. Doch es war wirklich niemand auszumachen, also rannten wir über eine Straße und versteckten uns hinter einer Mauer. Die Mauer selbst hatte ein Loch in der Wand, welches wir durchqueren mussten, um zum Ausgang zu gelangen. Ein Nadelöhr, oft genug wurden wir genau an dieser Stelle erschossen. Über Kreuz zielten wir den Durchbruch ab und es war nichts zu sehen….aber zu hören! Eine Stimme hinter der Mauer. Er musste allein sein, denn seine Worte fanden keine Erwiderung einer anderen Person. Vorsichtig schaute ich ums eck und sah ihn mit dem Rücken zu mir stehen, verkrampft visierte ich seinen Kopf an und dann ein lauter Knall, eine weitere Leiche würde nun das Bild von Tarkov schmücken, nur war es diesmal eben nicht die meinige. Der Weg zum Ausgang war frei, wir sprinteten so schnell wie es eben nur ging und waren schließlich draußen. Wir hatten überlebt.

Marco
Marco
Seit 1987 dabei. Von SEGA irgendwann bei der PlayStation gelandet. Hin und wieder auch Mal Maus und Tastatur - aber am liebsten doch mit einem Controller in der Hand.

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