SpielBar #60 – Retrokonsolen über alles!
28. September 2020Die Diva – Die etwas andere Familienserie
3. Oktober 2020The Devil All the Time – Zeit vergeht
Wir sind im Land der angeblich unbegrenzten Möglichkeiten. Amerika in den 1950ern. In dem Land wo du vom Tellerwäscher zu Millionär wirst. In der Geschichte von The Devil All the Time wird niemand zum Millionär. Es geht auch nicht um Geld. Es ist das einfache Leben der Arbeiterschicht. Raue Hände. Klassische Rollenverteilung und der Glaube ist felsenfest verankert. Der Schrecken und das Leid des Zweiten Weltkrieges zog sich tief in die Köpfe und noch tiefer ins Herz. Ich möchte wie immer versuchen möglichst wenig von der Story zu verraten und euch doch gleichermaßen mitzunehmen. Denn der Film blieb in meinem Kopf.
Willard Russell kehrt aus dem Zweiten Weltkrieg zurück. Er war unter anderem auf den Salomonen eingesetzt, einem Staat bestehend aus Hunderten von Inseln im Südpazifik. Seinem Sergeant schoss er in den Kopf, weil japanische Soldaten ihn gehäutet kreuzigten und er bereits von hunderten Insekten umgeben war. Die Kamera hält drauf. Der Schuss erlöste ihn. Nach dem Krieg kehrt Willard Russell zurück in die Heimat. Von Coal Creek, West Virgina, nach Meade in Ohio und weiter ins schlafende Knockemstiff. In einem typischen Diner trifft er seine spätere Frau Charlotte. Beide zeugen ein Kind und nennen ihren Sohn Arvin.
In einem anderen Ort, unweit von Knockemstiff entfernt, finden Helen Hatton und Roy Laferty zusammen. Auch die beiden zeugen Nachwuchs. Ihre Tochter heißt Lenora. Es vergehen einige Jahre und das Leben lebt. Es geht alles seinen Gang wie mein Großvater immer sagte. Familienmitglieder sterben an Krebs, andere begehen Selbstmord und wieder andere spüren von Gott gegebene Fähigkeiten. In der Geschichte finden Arvin und Lenora zusammen und wachsen weiter gemeinsam auf. Wer Filme von Guy Ritchie kennt, also verschiedene Handlungsstränge die sich im Laufe der Spielzeit zusammenfügen, der wird eine Ahnung haben wie Menschen aus ganz unterschiedlichen Regionen, oder aus völlig verschiedenen sozialen Schichten sich plötzlich gegenüber stehen. Im Film von Regisseur António Campos ist der Humor nur deutlich zynischer oder schwärzer. Wenn er denn überhaupt kurz aufkeimt. Locker, leicht und mit einem zwinkernden Auge wie im Fall von Guy Ritchie bekommt ihr hier definitiv nicht. Es ist eher die Erzählstruktur die ich euch erläutern wollte.
Die Geschichte ist düster und schwer. Gewalt und Misstrauen sind weitere Aspekte die immer wieder auftauchen. Stark sein und seinen Platz finden. Verachtung, Hass und der Wunsch diese Kette endgültig zu durchbrechen. Mit Schauspielern wie Tom Holland, Robert Pattinson, Harry Melling und Jason Clarke ist der Film zudem stark besetzt. Und wirklich jeder, auch die anderen Akteure die ich hier nicht namentlich erwähnt habe, liefern eine überzeugende wie auch glaubwürdige Performance ab. Gerade von den durchaus bekannten Schauspielern steht niemand im Vordergrund, wobei Tom Holland natürlich der Hauptdarsteller ist. Sie alle betten sich hervorragend ein und geben dem Film den nötigen Druck. Das Wort mag in dem Zusammenhang vielleicht komisch klingen und der Film ist von seinem Erzähltempo ruhig – was ich absolut positiv finde und er sich auch Zeit für die Erzählungen nimmt – aber die Stimmung ist in vielen Szenen auf Anschlag und die Anspannung in den Augen der Charaktere zu sehen. Ihr seid wütend, habt Verachtung und Verständnis. Ihr trauert mit und das Mitgefühl ist ebenso ein warmer Pulsschlag in eurer Brust. Das ist so verdammt stark!
Und neben all der spielerischen Klasse mochte ich die Farben und den gesamten Grundton. Egal ob’s die Musik war, die Kameraeinstellungen oder auch den Schnitt. Ich habe zu der Zeit natürlich nicht gelebt, aber wenn ich mir das typische Arbeiterleben mitten im amerikanischen Osten vorstelle, dann so.
Für mich war The Devil All the Time eine wirklich wahnsinnig gute Überraschung! Ich hoffe im Text habe ich euch nahebringen können warum und wieso. Es ist nur immer schwierig nicht zu viel zu verraten, da ihr Momente im Film einfach selbst erleben müsst. Das ist immer mein Ansatz, egal bei welchem Film oder bei welcher Serie. Ich lege euch den Film wirklich ans Herz und hoffe das er es schafft, sich über die Jahre das Prädikat “Geheimtipp” zu verdienen. Wenn ihr Netflix habt, dann schaut ihn euch bitte an. Es lohnt sich!