SpielBar #94 – Der Pixel Talk mit der geballten Ladung PlayStation und deren Showcase, dem Tripwire Skandal und wie wichtig uns Soundtracks sind
12. September 2021Ghost of Tsushima – Review
18. September 2021Wie Musik uns in Videospielen beeinflusst – und auch manchmal dirigiert
Die Idee zu diesem Thema kam mir bei einem gepflegten Couchabend mit meiner Frau. Normalerweise zocke ich mit Kopfhörer, an diesem Tag jedoch lag dieser fein säuberlich mit Kabel aufgerollt in einem der Fächer unterhalb des Fernsehers.
Ich stellte den Sound auf Mute, meine Frau und ich unterhielten uns und ich zockte derweil weiter. Doom Eternal war das Spiel der Stunde – nicht gerade der leichteste Shooter da draußen. Während ich also mit Cacodemons und Imps kämpfte, fiel mir auf, dass da etwas fehlte: Nämlich der Push, den ich normalerweise bei Doom verspüre, wenn der Industrial-Metal-Soundtrack auf mich einhämmert und meinen Adrenalinpegel nach oben treibt. Jetzt fühlte sich das Ganze eher nach Pommes ohne Ketchup an.
Es fehlte die Essenz in Form der Musik “The only thing they fear is you“, welche dir das typische Spielgefühl vermittelt und dir förmlich ins Gesicht schreit: Du bist der Doom Slayer, also Rip and Tear until it`s done!
Es gibt Spiele, die in einer Symbiose mit der eigenen Musik leben, z. B. die Souls Games. Jetzt denkt ihr vielleicht, klar – die Bosse sind leichter ohne Musik. Das stimmt auch teilweise. Aber nehmen wir mal die epischen Choräle aus den Dark Souls-Spielen oder den finalen Track aus Sekiro: Shadows Die Twice. Gerade dieser Track ist ein gutes Beispiel! (Achtung Spoiler:) Letzter Boss Isshin Sword Saint, Streicher, Drums und Bläser ebnen den einzigen Weg zum unvermeidlichen Showdown. Die Szenerie des Finales wird untermalt von “Sword Saint Isshin“, einem Sound, der immer hektischer wird, während Sword Saint Isshin und ich uns mit Schwertschlägen bearbeiten.
Meine Energie geht zur Neige, aber ich weiß, wenn ich nachlasse, erscheint mir der “You died“-Schriftzug abermals und alles beginnt von vorne. Circa 40 Versuche später. Die Musik ist zu einem Mantra geworden, das das Unabwendbare prophezeit. Nur einer wird siegen. Die Schläge kommen jetzt nur noch aus dem Muskelgedächtnis, Fehler gibt es nicht mehr, nur noch ein finaler Treffer ist nötig. Die Musik versetzt mich in Trance und ich setzte zum finalen Stoß an … und – sterbe! Ich muss pausieren. „We’ll meet again!“ denke ich und lächle leicht wahnsinnig bei dem Gedanken, dass es noch nicht vorbei ist. Letztendlich schaffte ich den Sword Saint, aber ohne den Soundtrack wäre ich vielleicht nicht so lange drangeblieben. Was ich damit sagen will, ist, dass hier die Musik auf das Gameplay einstimmt und Sekiro meiner Meinung nach ein wenig wie ein Rhythmusspiel funktioniert, nur dass der Gegner euch mit seinen Angriffen den Rhythmus vorgibt, den es dann zu parieren gilt. Die Musik ist hier zwar nicht der Rhythmus-, aber der Tempogeber.
Neben all dem Stress und Schrecken können Spiele auch mal den Safe Haven bieten. So zum Beispiel den Safe Room in Resident Evil, der in dem Survival-Horror-Klassiker (und damit meine ich das Original von 1996) eure einzige Erholung ist. Zombies und Munitionsknappheit, ihr kennt das … doch dieser Raum mit der Schreibmaschine und dem hoffentlich vorhandenen Farbband verheißt Ruhe. Der Track ist geradezu monoton schön und einfach in seinem Loop. Hier kann euch nichts passieren, solange die Musik läuft, das weiß jeder Resi-Fan. Die Kiste geordnet und nachgeladen, vielleicht noch ein Kräutermix? Warum nicht, die Zeit habt ihr.
Eine Chillout-Lounge made by Umbrella.
Ein Spiel, welches mit einem ähnlich entspannenden Track glänzt, ist Donkey Kong Country mit seinem Aquatic Theme . Synthie-Atmosphäre mit Relaxgarantie, die einem beinahe das Weiterspielen erschwert. Sanfte Klänge tragen den Affen durch das türkisfarbene Wasser. Es gibt zwar Gefahren, doch irgendwie ist das alles halb so wild, solange Aquatic Ambiance läuft. Es mag zwar nicht die ureigene Intention der Entwickler gewesen sein, aber dies ist so ein Track, der perfekt zum Einschlafen geeignet ist.
Jetzt aber genug entspannt! Wenden wir uns erneut Doom zu, dieses Mal der PS1-Version des klassischen Doom von 1993. Das originale Doom hatte tatsächlich nicht den besten Soundtrack. Inzwischen ist bekannt, dass ID Soft einige Tracks bekannter Metal Songs mit PC-Midi-Sound gecovert hat, die aufgrund der Soundqualität heutzutage nicht mehr besonders schön anzuhören sind. Aber der PS1-Port ist eine andere Geschichte.
Doom auf der PS1 hat weniger Level, dafür neue Lichteffekte, und der Soundtrack von Aubrey Hodges ist es, der daraus erst einen Horrortitel macht. Ähnlich wie Trent Reznor für Quake hat Hodges für Doom atmosphärische Höllentracks gebaut. Unheilvolle Klänge durchströmen die Marsbasis, unverständliches Gemurmel ist unter die düsteren Töne gemischt. Der Soundtrack liefert einem das beklemmende Gefühl für die Situation des Doom Marines allein in einer feindlichen Umgebung.
Bleiben wir noch etwas beim Thema Horror. Wer Resi sagt, kommt um Silent Hill nicht herum, ganz besonders um Silent Hill 2. Die Tracks von Akira Yamaoka sind nicht unheilvoll oder verstörend, sondern fast schon unangenehm ruhig. Silent Hill 2 hat die Melancholie als Soundtrack gebucht. Getragene Gitarrenriffs und Streicher geben dem nebeldurchzogenen Silent Hill seine Seele, die rastlos nach Antworten sucht und in die Leere des Nebels blickt. Das Spiel pflegt seine Depression mit passendem Soundtrack und wenn ihr das Ende von Teil 2 kennt, wisst ihr, mit welchem Gefühl ihr am Ende dasteht.
Wer sich dann aus dem musikalischen Stimmungstief befreien möchte, dem empfehle ich poppigen und funky Racing Sound: Die Rede ist von Ridge Racer Type 4. Dieser wirklich gute Arcade Racer hat einen Gute-Laune-Soundtrack, einen smoothen Sound, der genauso in einer Tokyoter Bar laufen könnte. Ich wünsche mir, dass es diese Bar tatsächlich gibt! Im Gegensatz zum ersten Ridge Racer, der mit Rotterdam Nation eher den Hardcore Techno-Fan anspricht, ist Type 4 schlichtweg elegant und stylish.
Und wo wir gerade beim Thema Fahren sind: Seit GTA haben Open-World-Spiele Radios und dort läuft ja normalerweise ein bunter Mix an Musik. Rockstar Games hat aber mit Vice City begonnen, eine Dekade nicht nur im Spiel zu erschaffen bzw. wiederzugeben, sondern auch die Musik dieser Zeit meisterhaft zu integrieren. Wenn im Vice City-Radio Cutting Crews “I just died in your arms” läuft und Tommy Vercetti mit dem Lamborghini-Imitat die pink und blau leuchtende Promenade entlangfährt, muss keine Jahreszahl eingefügt werden – der Popkultur-Overload sagt alles. Vice City hat den perfekten 80s-Mix, San Andreas dagegen feuert 90s West und East Coast Hip Hop ab, während GTA 4 ein bisschen gesetzter die New York, ich meine natürlich Liberty City-Atmosphäre rüberbringt.
GTA 5 ist ein spezieller Fall. Am Anfang schrieb ich, dass ich beim Zocken meist Kopfhörer trage, wenn meine Frau mit von der Partie ist. Aber nicht so bei GTA 5 und seinem Soundtrack aus Soul, Rock, Hip Hop und Pop, der – man muss es so sagen – einfach der Hammer ist. Hier besteht meine Frau grundsätzlich darauf, den Sound des Spiels mitzuhören.
Zum Abschluss möchte ich noch auf ein Spiel oder eher einen Song hinweisen, der nicht unerwähnt bleiben darf, obwohl ich ansonsten kein großer Fan von Kitsch und Schmalz bin. Dieser Titel hat es nämlich geschafft, mir im Gedächtnis zu bleiben mit all seiner epischen Cheesyness. Die Rede ist von Final Fantasy X2. X2 ist der letzte Teil, den ich wirklich aktiv gespielt habe, danach hat mich das Genre irgendwie verloren. X2 war bunt, quirlig und etwas cringy. Doch dann war da der Moment, in dem Yuna, die Hauptprotagonistin, den Song “A 1000 Words” in Kapitel 4 anstimmt (gesungen von Jade Villalon): Ein magischer Moment, durch den die herzzerreißende Love Story fast schon Musicalcharakter bekommt und unvergesslich bleibt. Vielleicht spiele ich ja doch irgendwann mal wieder ein Final Fantasy – aber nur, wenn mich darin ähnlich bombastische Musik erwartet wie in diesem Teil. Darunter mache ich es nicht mehr!
2 Comments
Sehr guter Artikel. Ehrlich gesagt, kann ich im Augenblick kein Soundtrack hervorheben. Jedoch bei Forza Horizon bin ich sehr wählerisch was den Radiosender betrifft. Wenn die Musik nicht passt, dann fahre ich nicht so gut.
Das kenne ich ehrlich gesagt auch nur zu gut! Gerade bei Rennspielen, mit Fokus auf Arcade, macht es unheimlich viel aus wie ich finde. Wenn der Soundtrack stimmt bin ich irgendwie konzentrierter und “viel mehr drin”! Bei Shootern ist es ähnlich und eigentlich überall. 😀 Ist immer etwas schade das die Soundtracks und Musik oft gelobt und betont werden, dann aber doch recht häufig zweitrangig sind. Oder ist das nur mein empfinden? Zumindest steht Grafik und Gameplay höher auf der Prio-Liste, wobei es ohne den passenden Sound auch einfach nicht wirken kann.