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Hätte mir jemand gesagt, dass ich einmal ein Album kaufe, in dem sagen wir mal 70% der Songs mit Autotune in der Stimme gesungen wird, ich hätte denjenigen erst ausgelacht, dann verprügelt und dann erneut ausgelacht. Aber ja, ich habe es getan. Aber halt! Bevor ich mir jetzt anhören darf, ich hätte meine Prinzipien über den Haufen geworfen. Es ist nicht irgendein Künstler, es handelt sich hier schließlich um Tarek K.I.Z, einem Mitglied der Gruppe K.I.Z wie der Name schon sagt. K.I.Z ist dazu noch meine persönliche lieblings Rap-Gruppierung. Also kam ich nur schwer drum herum, mir das Album nicht zu besorgen. Zum einen aus Neugier, ob einer der Jungs auch als Solo- Künstler über ein ganzes Album gestreckt funktioniert und zum anderen wie viel K.I.Z noch in dem Werk steckt. Auch wenn ich nach wie vor skeptisch war, was den Inhalt angeht. Stichwort: Autotune. Ich hasse diese „Art“ des Gesangs einfach so unfassbar. Danke Cher…..
Jetzt könnte man ja sagen „Wieso streamst du das Album nicht vorher einfach auf Spotify?“Ja, könnte ich machen. Aber ich mag besagten Anbieter einfach nicht. Diese Art des Musik-Konsums fühlt sich irgendwie nicht richtig an. Außerdem wird das vielen guten Alben einfach nicht gerecht. Außerdem mag ich dieses Ritual, in den Laden zu rennen und nachher etwas haptich zu erwerben und im Regal stehen zu haben. Ja ja, ich weiß, ich bin alt. Und der wichtigste Punkt, es ist einfach zu teuer. Ich kaufe, wenn es hoch kommt 2-3 Alben pro Jahr. Und mein Musikgeschmack ist so rar gesät, dass die meisten Künstler entweder ihre Musik nicht auf Spotify anbieten oder halt ihre Alben privat über ihre Webseiten verkaufen. Also würde sich Spotify einfach nicht lohnen. Aber ich schweife ab.
Zurück zum Album. Was ist Golem überhaupt? Golem ist das erste Solo Album von Tarek K.I.Z aka der Nubische Prinz aka Skinhead Black aka der Kinderschreck aka der Flow Roboter und ist bereits am 31.Januar 2020 über Warner Music erschienen.
Das besagte Album umfasst 12 Tracks und geht, was den Inhalt angeht, diesmal sehr ins Private. Aber auch hier nimmt sich der Künstler die Freiheit, selbst zu entscheiden, wie viel er von sich preisgibt und was davon Fiktion und was autobiographisch ist. Viele seiner Lieder schneiden Lebenserfahrungen und erlebte Ereignisse an, sagen aber nie aus, was davon tatsächlich zutrifft. Dennoch hat man das Gefühl, den Mensch hinter dem Künstler nun besser zu kennen.
Lyrisch erinnert das Album schon an den typischen K.I.Z Sound. Besonders was die Texte angeht. Jedoch mit den kleinen aber feinen Unterschied, das viele Passagen eher gesungen als gerappt wurden. Aber das kennt man hier und da ja auch bereits von K.I.Z. Daher ergibt das Gesamtbild eher den typischen Klang eines K.I.Z Produktes. Was in meinen Ohren aber auch nicht schlimm ist, sondern durchaus positiv gemeint ist. Somit ist ein guter Wiedererkennungswert gegeben und man fühlt sich sofort heimisch.
Das Einzige, was mich stört, sind die Autotune-Passagen. In meinen Ohren nimmt diese Entscheidung des Klangbildes dem Ganzen ganz schön die Seele und vor allem zu viel Platz ein. Mich würde etwas mehr Mut zur Lücke eher freuen. Gesang, der nicht immer perfekt oder rund klingt, gerade für jemanden, der eher aus der Rap-Szene kommt, würde das ganze Projekt authentischer machen. Aber na ja, das ist auch nur meine Sicht auf das Ganze. Ich mag Autotune halt einfach nicht. Abgesehen davon aber macht das gesamte Album einen zufriedenstellenden Eindruck.
Jeder Track verdient es, komplett gehört zu werden. Mehr sogar, jeder Track verdient es, vom Hörer analysiert zu werden. Man kann in fast jedem Lied viele kleine ineinandergreifende Geschichten erkennen, die von Hass, Angst, Hoffnung und Liebe handeln. In einigen Liedern kann man sich sogar wiedererkennen. Und das nicht immer zum Guten. So bringt einem der Künstler vielleicht ungewollt einem etwas über sich selber bei. Das erlebe ich bei den wenigsten Künstlern. Vor allem nicht in so einer Dichte.
Was den Albumtitel Golem angeht, hierbei handelt es sich um eine alte jüdische Mythologie. Ein Golem ist eine menschenähnliche Gestalt aus Lehm oder Ton. Wenn diese nicht durch einen Schwur an einen Menschen gebunden ist, gerät diese außer Kontrolle und es folgt Chaos und Verderben. Tarek thematisiert in diesem Album oft das Thema Tod, Gewalt, Einsamkeit und Perspektivlosigkeit. Also kann man als Hörer davon ausgehen, dass er der außer Kontrolle geratene Golem ist. Das würde auch die etwas chaotische Abfolge der Lieder erklären. Dennoch folgt das ganze Album seiner Thematik und verliert auf eigene Weise nie den roten Faden.
Aber wie finde ich letztendlich das Album? Gerade wegen dem Autotune musste ich mich zwar anfangs durch einige Lieder quälen. Aber inzwischen kann ich diese auch hören und viele erst nicht so gut empfundene Lieder laufen bei mir sogar in Dauerschleife. Was das Album außerdem auszeichnet: Keines der 12 Lieder nervt. Man kennt es ja bestimmt, man kauft ein Album und die Hälfte der Lieder sind höchstens „ok“. Bei Golem ist dies aber nicht der Fall. Jeder Track hat seine Daseinsberechtigung auf dem Album und lässt sich fabelhaft hören. Gut, die inhaltliche Qualität und auch das Musikalische schwankt, aber insgesamt kann man wirklich jeden Song immer wieder hören. Also falls das hier jemand liest, der Autotune genau so sehr hasst wie ich, aber Hip Hop / Rap mag, der sollte Golem dennoch eine Chance geben. Ihr könnt es ja gegebenenfalls erst auf Spotify streamen. 😉