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14. Dezember 2024World of Warcraft: Eine Reise in die Vergangenheit
Als das 20-jährige Jubiläum von World of Warcraft von Blizzard näher rückte, überkam mich eine Welle der Nostalgie. Ich, der das Spiel kurz nach Release im November 2004 gekauft hatte, wollte es noch einmal wissen. Würde mich die Welt von Azeroth noch immer in ihren Bann ziehen können? Würden die Erinnerungen an epische Schlachten, nervenaufreibende Raids und unzählige Stunden mit Freunden noch lebendig sein? In diesem Artikel werde ich natürlich nicht vollumfänglich alle neuen Mechaniken und Ideen beschreiben oder bewerten können, sondern verlasse mich auf die Dinge die ich aktiv gespielt habe.
Damals, im Jahr 2004 …
Ich erinnere mich noch genau an den Tag, als ich die sechs CDs in den Händen hielt. Sechs CDs! Heute unvorstellbar mit schnellen Download über den Battle-Net Launcher, aber damals der Standard. Der Grund für meinen Einstieg in die Welt der MMORPGs war simpel: Alle meine Freunde im Dorf hatten eine Gilde gegründet und suchten noch Mitspieler. Ich selbst hatte bis dato keinerlei Erfahrung mit diesem Genre, aber durch unzählige LAN-Partys mit Warcraft 3 und „The Frozen Throne“ war ich mit dem Warcraft-Universum bestens vertraut. Gerade hatte ich meine Ausbildung begonnen und verdiente mein erstes eigenes Geld, was mir das monatliche Abo ermöglichte.
Die ersten Schritte in Azeroth waren magisch. Die bunte, wunderschöne Welt mit ihren einfachen Mechaniken lud zum Erkunden ein. Es gab kaum Guides oder YouTube-Videos (YouTube ging erst im Februar 2005 online!), also war pure Entdeckungslust angesagt. Der comichafte Grafikstil, die Städte und Umgebungen erinnerten stark an Warcraft 3 und erzeugten sofort ein Gefühl der Vertrautheit. Ich entschied mich für einen Krieger, eine Empfehlung der „erfahrenen“ Spieler in meiner Gilde. Das Leveln auf Stufe 60 dauerte gefühlt eine Ewigkeit, selbst mit effizienter Spielweise vergingen gut zwei Wochen reine Spielzeit.
Die Server waren heillos überlastet, lange Warteschlangen waren an der Tagesordnung. Unvergessen sind die ersten Raids auf gegnerische Hauptstädte, bei denen wir mit unseren niedrigstufigen Charakteren Chaos stifteten, oder die beschwerliche Suche nach dem ersten Reittier und das mühsame Zusammensparen des Goldes für das „schnelle“ Reiten. Als dann das erste PvP-Ehresystem im Spiel eingeführt wurde waren Spieler auch außerhalb der PvP-Arenen nicht mehr sicher.
Die Ära der Raids: Burning Crusade
Mit „The Burning Crusade“ begann meine intensive Raid-Zeit. Viermal die Woche verbrachten wir 3-4 Stunden in Endgame-Instanzen. Wir waren keine World-First-Gilde, aber wir hatten den Anspruch, die Instanzen erfolgreich zu bewältigen. Taktiken wurden einstudiert, Abläufe verinnerlicht und nach dem Raid noch das passende Buff-Food für den nächsten Tag besorgt. Es war ein richtiger Halbtagsjob als Hobby, aber der Zusammenhalt in der Gilde war einzigartig. Es war wie in einem Sportverein, nur eben virtuell. Es entstanden Freundschaften, die bis heute bestehen.
Der Abschied vom Endgame: Wrath of the Lich King und danach
Irgendwann, während „Wrath of the Lich King“, ließ die Begeisterung nach. Das reale Leben mit Studium, Praktika und Nebenjobs forderte seinen Tribut. Ich kaufte zwar weiterhin die Addons bis einschließlich Shadowlands, spielte aber meist nur die Kampagnen durch und levelte einen Charakter auf die Höchststufe. Am Endgame-Content nahm ich nicht mehr teil. In der Zeit merke man als Spieler, dass Blizzard seine Strategie stärker auf den Gelegenheitsspieler ausrichtete und viele Features für den Feierabend-Spieler implementierte.
Das hatte aber nicht zu bedeuten, dass der Endgame-Content dadurch einfacher wurde. Die Mechaniken der Bosse für die ambitionierte Gilden wurde immer spezifischer und anspruchsvoller. Inzwischen werden die Versuche von Gilden einen “First-Kill” zu erreichen auch auf dem offiziellen World of Warcraft Kanal auf Youtube übertragen und von professionellen Sprechern kommentiert. World of Warcraft schaffte es zu überleben, im Gegensatz zu manch einem Konkurrenten wie beispielsweise The Matrix Online, Marvel Heroes und Warhammer Online.
Der weitere Weg: Ideen und Mechaniken seit 2004
Einige gute Ideen, Features und Mechaniken in den bisherigen Addon würde ich als lobende Erwähnung noch einbringen.
Mists of Pandaria markierte einen Wendepunkt für World of Warcraft. Die Erweiterung führte eine farbenfrohe, neue Welt ein:
- Pandaren als neue spielbare Rasse: Die Pandaren fügten dem Spiel eine frische Perspektive hinzu und boten neue Anpassungsmöglichkeiten für die Charaktererstellung.
- Das Szenario-System: Szenarien boten eine abwechslungsreiche Möglichkeit, die Geschichte zu erleben und Belohnungen zu erhalten. Spieler konnten Fortschritt auf der Karte freischalten um bspw. andere Gebäude zu sehen.
- Sammlung an persönlichen Reittieren: Spieler konnten erstmals ihre Reittiere und Haustiere in einem persönlichen Stall verwalten. Mit den Haustieren konnte im Stile von “Pokémon” kämpfe durchgeführt werden oder diese in freier Wildbahn gesammelt werden.
Warlords of Draenor führte Spieler in eine alternative Version von Draenor, der Heimatwelt der Orcs:
- Garrisons: Spieler erhielten eine persönliche Festung, die als Basis für ihre Aktivitäten diente. Quasi ein “Housing”-Feature light – was auf dem “Szenario-System” von Mist of Pandaria aufsetzte
- Follower-Missionen: In den Garnisons konnten Spieler Anhänger auf Missionen schicken, um Ressourcen und Belohnungen zu erhalten.
- Mythische Dungeons: Mythische Dungeons boten eine höhere Schwierigkeitsstufe.
Legion führte Spieler in die Welt von Argus und konfrontierte sie mit der Brennenden Legion.
- Artefaktwaffen: Jede Klasse erhielt eine einzigartige Waffe, die im Laufe der Erweiterung immer mächtiger wurde. Der versuch von Blizzard auch den Gelegenheitsspieler zeitnah mit starken Items auszurüsten.
- Ordenshallen: Die Ordenshallen dienten als soziale Treffpunkte für Spieler derselben Klasse und boten Zugang zu spezifischen Klassenkampagnen. Die logische Weiterführung des erfolgreichen Feature “Garnison” aus dem Addon Warlords of Draenor.
Battle for Azeroth der “endlich” erneuerte den Konflikt zwischen Allianz und Horde.
- Kriegsfronten: Groß angelegte PvP-Events, bei denen Spieler um die Kontrolle über Gebiete kämpften.
Shadowlands führte Spieler in die verschiedenen Reiche des Jenseits.
- Covenant-Systeme: Spieler konnten sich einem der vier Covenants anschließen und erhielten Zugang zu einzigartigen Fähigkeiten und kosmetischen Anpassungen. Das System war nicht neu, da man sich bereits in Burning Crusade einer Fraktion anschließend musste, aber die logische Fortführung.
The Dragonflight führte Spieler zurück nach Azeroth und in die Dracheninseln.
- Drachenreitkunst: Spieler konnten auf Drachen reiten und die Welt auf eine völlig neue Art erkunden. Diese Idee war ein wichtiger Schritt das Spiel dynamischer zu gestalten und die Bewegung von A nach B nicht mehr nur durch statischen Fliegen zu ermöglichen.
Die Rückkehr: The War Within
Nun, zum 20-jährigen Jubiläum, kehrte ich zum Addon The War Within zurück. Was hat sich seit 2004 verändert? Eine Menge!
- Storytelling: Damals war das Storytelling eher rudimentär. Die Geschichte wurde durch Quests und Texte erzählt, aber man konnte das Spiel bis Stufe 60 spielen, ohne viel davon mitzubekommen. Heute gibt es eine zusammenhängende Kampagne mit Cutscenes und Ingame-Sequenzen, die den Spieler aktiv in die Handlung einbeziehen. Man versteht nun den Sinn hinter Dungeons und Raids.
- Grafik: Die Grafik von damals war charmant, aber im Vergleich zu heute natürlich veraltet. Die Engine wurde grundlegend überarbeitet und unterstützt nun 64-Bit-Prozessoren. Das Spiel sieht fantastisch aus, besonders die detaillierten Rüstungssets mit ihren Effekten.
- Sound und Soundtrack: Der Sound war schon immer großartig, aber die heutige Schnelllebigkeit des Spiels lässt kaum Zeit, sich mit den einzelnen Zonen und ihrer Musik zu verbinden.
- Dungeon- und Raidfinder: Der Dungeonfinder aus „Wrath of the Lich King“ und der spätere Raidfinder haben das Gruppenspiel revolutioniert. Lange Suchen gehören der Vergangenheit an.
- Delves: Dieses neue Feature ist für mich als „Feierabend-Spieler“ ein Segen. Ich kann nun alleine oder mit Freunden in instanziierten Höhlen Abenteuer erleben und gute Beute ergattern, ohne auf feste Raidzeiten angewiesen zu sein. Brann Bronzebart als Begleiter ist ein tolles Extra.
- Transmogrifikation: Endlich können wir unsere Ausrüstung nach Belieben anpassen und alte Sets wieder zum Leben erwecken (bereits im Spiel seit dem Addon Cataclysm).
Aber es gibt auch negative Veränderungen:
- Charakteraufwertung: Die Möglichkeit, Charaktere per Echtgeld aufzuwerten, finde ich problematisch. Sie fördert eine „Einweg-Mentalität“ und nimmt dem Spiel einen Teil seines Reizes.
- Community: Die Community hat sich stark verändert. Der Zusammenhalt und der Respekt untereinander haben nachgelassen. Egoismus ist an die Stelle getreten.
- Questdesign: Die Quests sind nach wie vor oft eintönig und wenig einfallsreich.
- Erfahrungsbuffs: Es ist möglich unterschiedliche Buffs zu erhalten, die das hinzugewinnen von Erfahrungen vervielfacht. Diese Mechanik kann selbst von relativ mittelmäßig motivierten Spieler dazu genutzt werden einen Spieler im aktuellen Addon in 6-10 Stunden auf das Höchstlevel zu spielen.
Meine Rückkehr nach Azeroth war eine Reise in die Vergangenheit und gleichzeitig eine Begegnung mit einem stark veränderten Spiel. Vieles hat sich zum Positiven entwickelt, besonders in Bezug auf Storytelling, Grafik und Zugänglichkeit. Die Delves sind ein fantastisches Feature für Gelegenheitsspieler wie mich. Aber die Veränderungen in der Community und die Einführung der Charakteraufwertung trüben das Gesamtbild etwas. Die erhöhte Komplexität des Spiels hat jedoch auch dazu geführt, dass neue Spieler Schwierigkeiten haben können, sich zurechtzufinden. Zudem hat die schnelle Abfolge von Erweiterungen und neuen Inhalten dazu geführt, dass Spieler (auch ich) sich manchmal überfordert fühlen und Schwierigkeiten haben, mit den ständigen Veränderungen Schritt zu halten.
Trotzdem bin ich froh, wieder in diese Welt eingetaucht zu sein und alte Erinnerungen aufleben zu lassen. World of Warcraft hat sich verändert, aber der Kern, der mich vor 20 Jahren so begeistert hat, ist immer noch da. Die vor einigen Jahren erfolgreich gestarteten WoW-Classic Server auf denen das “alte” Vanilla-WoW und weitere Addons gespielt und erfahren werden können zeigt, dass vor 20 Jahre nicht alles schlecht gewesen sein kann.