SpielBar #107 – Die Glückskeksritter
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16. März 2022Horizon Forbidden West – Review
Fünf Jahre hat sich Guerrilla Games Zeit gelassen für das Sequel. Generell sind fünf Jahre untypisch für Sequels, und je länger man sich Zeit lässt, desto größer werden die Erwartungen der Spieler. Kurz gesagt: Das Warten war es nicht nur wert, die Großen können einiges von Guerrilla nun lernen.
Horizon Forbidden West knüpft direkt an Horizon Zero Dawn, die Geschehnisse spielen ca. sechs Monaten nach dem Ende im ersten Teil. Storytechnisch holte Guerrilla mehr raus, als ich zuvor erwartet hatte. Ich erwartete eine solide Geschichte, mit nicht allzu vielen risikoreichen Momenten – doch ich habe mich geirrt. Die Story in Forbidden West zieht Aloy nach Westen. Ein seltsames Gewächs verunreinigt die Erde sowie die Nahrung der verbliebenen Menschen. Nicht nur das seltsame rote Zeug, das an vielen Orten gedeiht, bereitet Aloy Kopfschmerzen, es geht auch viel um GAIA und HADES. GAIA muss wieder in das System integriert werden sowie die Subfunktionen. HADES ist nach Westen geflüchtet, und das ist ein weiterer Grund, nach Westen zu ziehen. Aloys Reise nach Westen wird mit altbekannten Charakteren begleitet sowie vielen neuen, die einen erheblichen Einfluss auf die Geschichte haben und ein Teil davon sind. Die neuen Charaktere, unter Anderem wie Hekarro und Ayla, fügen sich wunderbar in die Geschichte ein und wirken nicht allzu ein-dimensional. Sie sind zwar nicht tiefgründig, dennoch bereichern die Geschichte mit ihren Motiven. Andere Charaktere wie Erend, Sylens und Varl sind ebenfalls eine willkommene Ergänzung, wobei Sylens definitiv weniger Szenen erhalten hat, dafür Varl mehr. Bei Erend bin ich weiterhin enttäuscht, keinen spannenden Charakter zu Gesicht zu bekommen.
Insgesamt sind die Charaktere im Repertoire aufschlussreich und klug ausgewählt worden. Die Geschichte im Allgemeinen ist voll, wie der erste Teil, mit Twists. Daher will ich nicht ins Detail gehen, aber ich kann sagen, dass Guerrilla hier wieder voll auf Fiktion geht und Elemente sowie Momente bringt, die keiner auf dem Schirm hat. Es ist ein großartiges Abenteuer, auch Aloy entwickelt sich weiter und wirkt immer authentischer. Das Ende hat mir ebenfalls gefallen, da hier meine Sorgen groß waren. Lore ist ebenfalls interessant. Was ich faszinierend finde ist, wie sie im ersten Teil eine Lore erzählt haben, welches manche durchaus verpasst haben, aber dieses Stück Lore direkt in der ersten Stunde im Spiel aufgegriffen wird und sofort an Relevanz gewinnt. Dadurch schätzt man deutlich mehr die Zeit, die der Spieler im ersten Spiel verbracht hat, um die Lore zu suchen. Es ist für mich daher unerlässlich, den Ersten storytechnisch zu kennen, sonst könnte es durchaus sein, dass ihr im Dunkeln etwas tappen werdet. Zudem gibt es zum Anfang ein Video, welches die Geschehnisse aus dem Ersten Teil zusammenfasst, aber für mein Empfinden ist das gerade an der Oberfläche, die gekratzt wird.
Gameplaytechnisch ist der Sprung ein Mix aus sicher und Sachen, die man sich wirklich gewünscht hatte. Horizon Forbidden West bleibt ein Action-RPG. Ihr seid meiste Zeit dabei neue Locations herauszufinden, die „?“ auf der Karte zu entdecken, Dialoge euch anzuhören sowie die Probleme der Leute, Maschinen zu jagen, um bessere Teile zu ergattern, um so Upgrades zu erhalten oder generell viel zu erkunden – denn davon gibt es immens viel! Es gibt neue Stämme in Forbidden West, die eine Rolle in der Story spielen. Es ist Guerrilla gelungen, das Spiel in der Vielfalt zu erweitern und dem Spiel Leben einzuhauchen. Durch die vielen Personen und Stämme fühlt sich das lebendiger an als zuvor. Die Maschinen sind weiterhin ein großes Thema und auch hier hat Guerrilla viele Neue eingeführt. Es gibt nicht nur kleine und mittelgroße Maschinen, die neu sind, sondern auch einige gigantische, die wirklich euch fordern werden. Kommen wir zum Schwierigkeitsgrad direkt: Das Spiel ist deutlich herausfordernder als der erste Teil. Ich habe direkt auf schwer angefangen, da ich den ersten ohne Probleme auf schwer spielen konnte, doch das Sequel hier fühlt sich etwas unausgeglichen an. Maschinen halten viel zu viel aus, man macht zu wenig Schaden.
Die Vielfalt der neuen Maschinen ist absolut umwerfend und mit sehr viel Liebe und Details entworfen worden. Ich will hier keine nennen und will, dass ihr überrascht werdet! Immer wenn man denkt, es könnte nicht noch eine größere Bedrohung kommen, dann wird man eines Besseren belehrt. Die Spielwelt ist eventuell etwas größer als der erste, aber komplett gefüllt mit interessanten Locations, Siedlungen, Höhlen, Überresten aus der vergangenen Welt und viel mehr. Das Spiel lädt zum Erkunden ein, aber hier habe ich ein persönliches Problem. Es ist sehr linear gestaltet. Im Storyverlauf schaltet ihr gewisse Fähigkeiten frei, die relevant sind, um gewisse Locations zu clearen. Wenn ihr also anfängt, schon früh abseits der Story zu erkunden, werdet ihr auf viele Hindernisse stoßen, und das könnte etwas den Spielspaß verderben. Ich empfehle euch daher, zu erkunden, sobald ihr mindestens zwei der relevanten Objekte freigeschaltet habt.
Die Hauptstorymissionen sind umfangreich gestaltet worden und liefern wirklich gute Momente, auch die Sidemissionen brauchen sich nicht zu verstecken. Sie sind qualitativ und überzeugen mit kleinen, guten Geschichten und Charakteren. Bereits in der ersten Siedlung hatte ich sehr starke The Witcher 3 Vibes. Kommt es auf Witchers Niveau? Nicht ganz. Dennoch sehe ich hier eine erhebliche Steigerung vom Ersten Teil. Die Dialoge sind im gleichen Umfang und haben keinen großen Einfluss auf die Geschichte. Es gibt zwar paar Entscheidungen, die man treffen muss, insbesondere eine, die einen kleinen Effekt am Ende haben wird, dennoch wird man am Ende nur ein Ende zu Gesicht bekommen. Große Siedlungen sind etwas neues hier, hier hat Guerrilla sich wirklich Mühe gegeben den Orten Leben zu verleihen. Sie fühlen sich lebendig an, voller NPCs, die ihren Tätigkeiten nachgehen, betrunken durch die Gegend latschen oder arbeiten und sich unterhalten – ein ganz großes Upgrade! Guerrilla ließ sich definitiv durch The Witcher 3 inspirieren und das ist für mich sehr positiv. Das Waffenrad ist das alte, es gibt zudem einige neue Waffen wie ein Speer.
Durch das Sammeln von bestimmten Maschinenteilen könnt ihr die Waffen upgraden, dazu kommen wieder neue Outfits, Tränke und Fallen. Stealth ist weiterhin ein Bestandteil, besonders auf den hohen Schwierigkeitsgraden ist es sehr empfehlenswert, die Gegner zu scannen, um somit die Schwachstellen zu erkennen. Die Spielwelt ist unterteilt in mehrere Biome und auch eine Unterwasserwelt ist neu und bietet euch mehr zu erkunden. Aloy hat jetzt auch einen Gleiter, um durch die Luft zu gleiten und einen Enterhaken. Das Klettern ist eine halbfertige Sache. Sie kann zwar an einigen Orten frei klettern, doch es gibt auch einige Orte, an denen es nicht möglich ist. Ich weiß nicht, woran es hier gescheitert hat, aber es fühlt sich halbfertig an. Zudem ist das Klettern nicht gerade gut ausgeführt worden, manchmal ist es hakelig und Aloy springt an Ecken, die man nicht möchte. Gameplaytechnisch gibt es eine Überraschung zum Ende des Spiels und das ist etwas, was man sich sehr gewünscht hatte! Selbstverständlich gibt es auch ein Skill-Tree, der erweitert worden ist. Es gibt nun sechs Bäume, aus denen ihr aktive und passive Fähigkeiten auswählen könnt. Das Nahkampf-Combat wurde ebenfalls erweitert. Aloy baut eine Ultimate-ähnliche Leiste auf, die es ihr erlaubt, eine spezielle Fähigkeit freizusetzen. Generell sind diese Verbesserungen sinnvoll und gut ausgeführt worden.
Kommen wir zum technischen Part des Sequels. Oder fangen wir direkt mit einem Highlight an: Horizon Forbidden West ist das schönste, und technisch ausgereifteste, Open World-Spiel, welches wir bisher gesehen haben. Durchaus dachte ich, dass das Spiel als Cross Gen, sich ausbremsen würde, dennoch ist dies eventuell nur im gameplaytechnischen Aspekt der Fall. Horizon Forbidden West sieht absolut umwerfend aus und zaubert uns Aussichten, die wir nur aus Tech-Demos kennen. Es ist farbenfroh, hat eine unglaublich dichte Vegetation, mit sehr vielen Varianten und präsentiert sich bestmöglich. Die Spielwelt strotzt vor Details und interessanten Orten, die man besuchen möchte. Das Wasser ist zweifelslos das Beste, was ich jemals gesehen habe. Man will selbst direkt reinspringen! Die Weitsicht wird kombiniert mit einem Rauch- und Nebelsystem, welches sehr gut dargestellt wird! Das Wolken- und Himmelsystem sind absolut Next Gen für mich und wirken fotorealistisch.
Die Texturen der Objekte sind scharf, manche Geometrie sehen fotorealistisch aus. Charaktermodelle sind ein fettes Upgrade, Aloys Haar ist dynamisch, sie schwitzt in der Wüste und wie ihr Haar Unterwasser sich bewegt, ist einfach grandios! Guerrillas Liebe zum Detail zeichnet sich hier aus und macht Rockstar Games definitiv eine Ansage. Bäume, Gräser und Staubpartikel bewegen sich dynamisch und verleihen der Spielwelt Leben. Die Tierwelt wurde erheblich verbessert; es gibt eine ganz große Vielfalt von Tieren. Von Eidechsen bis hin zu Pelikanen. Sie sehen unglaublich detailliert aus. Die Animationen von Aloy und Maschinen sind butterweich, die Präsentation der Dialoge und Cutscenes sind höchste Qualität! Insbesondere, wie NPCs sich natürlich in Dialogen mit Aloy verhalten, ist ein Upgrade, der wirklich heraussticht. Sie wirken nicht steif, artikulieren mit Gestik und Mimik und wirken äußerst lebendig!
Horizon Forbidden West nutzt auf der PS5 zwei Grafikmodi: Qualität begrenzt das Spiel auf 30 FPS in nativer 4K-Auflösung, dafür mit höherer Grafikeinstellungen. Performance-Modus läuft in 60 FPS und 1800p, welches aber nicht nativ dargestellt werden. Beim Performance-Modus sind die Abstriche zu erkennen, aber kein gewaltiger Unterschied. Ich blieb beim 30-FPS-Modus und wollte nicht zurück, egal wie bequem sich die 60 FPS anfühlen. Der Quality-Modus fühlt sich, auch wenn es 30 FPS sind, äußerst geschmeidig an und ohne signifikanten Input-Lag. Zudem sieht es auf einem OLED fantastisch aus. Beim Performance-Modus sieht es für mich etwas schwammig aus, die Weitsicht verliert etwas und generell ist die Vegetation geringer.
In Sachen Bugs gibt es leider manche. Es ist definitiv aber in einem Bereich, der den Spielspaß nicht allzu sehr ausbremst. Die Dualsense-Features sind wirklich gut implementiert worden; Wenn Aloy durch das Gras läuft, spüren wir das. Spannt sie den Bogen, erhalten wie das Feedback dazu und die adaptiven Trigger kommen in den Einsatz. Ladezeiten? Sind im Grunde genommen komplett vernichtet worden. Sound-Design? Fantastisch! 3D-Audio-Sound macht wieder sehr guten Job, die Welt hört sich toll an! Es ist technisch ein Produkt auf dem höchsten Niveau. Eine komplette Demonstration, wozu die PS5 in Open Worlds imstande ist, aber weiterhin eine Grafikdichte präsentieren kann, welches wir aus Tech-demos kennen. Aber ist es die lebendigste Open World? Ich tendiere zu nein. Ein Punkt fehlte mir, und das ist, dass Tiere nicht miteinander interagieren. Es ist etwas, was Red Dead Redemption II besonders machte, aber ich hier keine Spuren gesehen habe. Nichtsdestotrotz hat Guerrilla den technischen Aspekt extrem ausgefeilt und etwas gezaubert, welches einfach wortwörtlich wunderschön aussieht.
Guerrilla zaubert uns ein Sequel, welches sich in nahezu allen Aspekten stark verbessert hat. Das Storytelling ist gewagt und präsentiert sich in höchster Qualität. Es ist Fiktion und bietet einige sehr interessante Momente an, die durchaus originell wirken. Charaktere mitsamt Aloy liefern einen guten Job ab. Das Ende wirkt gut ausgedacht, besonders die finale Mission ist wirklich episch. Gameplay-Aspekte wurden klug verbessert u.A. der Gleiter oder auch der Grapple Hook. Dadurch ist das Fortbewegen in der Welt deutlich spaßiger. Das Jagen, Erkunden und Unterhalten mit NPCs macht weiterhin viel Spaß, da es vielfältiger geworden ist, sowie interessanter. Lediglich das Klettern ist für mich ein Dorn im Auge, konnte nicht viel hier für mich gewinnen. Es ist technisch auf einem sehr hohen Niveau. Es gibt nur höchstens eine Handvoll Spiele, die in gewissen Aspekten konkurrieren könnten, aber Guerrilla hat sich übertroffen. Es stellt dar, wozu die PS5 imstande ist. Wozu das Studio imstande ist. Horizon Forbidden West ist ein fantastisches Sequel, mit Verbesserungen an allen Ecken und Kanten. Es liefert eine interessante Sci-Fi-Geschichte, einer lebendigen Welt und einer Technik, die schwer sein wird übertroffen zu werden. So macht man Sequels. / Downloadcode von SIE bereitgestellt